My first digital camera

Bei der Arbeit.

Pro Jahrzehnt meines Berufslebens habe ich durchschnittlich eine wirkliche Verbesserung erlebt. Über die beiden anderen will ich an dieser Stelle kein Wort verlieren – nur so viel: Es war weder das Internet noch das Smartphone. Aber eine Erfindung hat das Leben für Lokaljournalisten wirklich einfacher gemacht: digitale Fotoapparate. Dabei schien das anfangs überhaupt nicht so.

Die erste Digitalkamera schaffte der Verlag so um das Jahr 2000 herum an, genau weiß ich es nicht mehr. Ein klobiges Teil, das aussah, als sei es der Trostpreis in der Losbude. Die Kamera hatte einen eingebauten Bildspeicher und wenn man die Qualität so einstellte, dass wir davon ein Foto in Postkartengröße drucken konnten, reichte der Speicher für fünf Aufnahmen. Ja, doch so viel!

Drückte man auf den Auslöser, macht die Kamera – nichts. 21, 22, 23, 24, Klick. Aufnahme. Schade, die Leute, die man fürs Foto aufgestellt hatte, dachten, es sei längst alles vorbei und hatten sich umgedreht oder waren weggegangen. Es war unglaublich peinlich, denn alle dachten, man könne mit dem modernen Ding einfach nicht umgehen. Ich habe manchmal Leute gebeten, die Luft anzuhalten und sich nicht zu bewegen, bis ich Danke sage.

Powershot, die I.

Die nächste Digi war geringfügig besser. Es dauerte zwischen einer und drei Sekunden bis zum Auslösen. Man wusste nur nicht genau wie lange. Manchmal dachte sie vorher gründlich nach. Bewegte Motive schieden nach wie vor aus. Immerhin reichte die Speicherkapazität jetzt für acht bis zwölf Fotos. Ein Kollege versuchte mal, einen Redner zu fotografieren. Die Kamera löste immer aus, wenn er gerade nach unten auf sein Manuskript schaute.

Außerdem hatte sie einen schrillen Auslöseton. Die Kamera war von Canon und hieß Powershot. Ihr könnt euch denken, wie wir das Ding genannt haben. Nicht lange, und sie wurde von Powerschrott Nr. 2 abgelöst. Damit ging es einigermaßen, aber jede Kinderkamera aus dem Discounter bietet heutzutage mehr Komfort. Aber die Digitalkameras hatten einen Vorteil, und um den zu verstehen, muss man wissen, wie wir vorher an unsere Bilder kamen.

Vor der Einführung von Vollformatchips oder SD-Speicherkarten fotografierten wir auf Film. Unsere Zeitung hatte bei meinem Berufseintritt 1991 drei Lokalausgaben und sechs Lokalredaktionen, von denen nur eine im Verlagshaus war, die anderen waren in ihr jeweiliges Erscheinungsgebiet angesiedelt. Wir verwendeten 35-mm-Kleinbildfilm. 200 und 400 Asa Empfindlichkeit war die Regel. Jeder kann ja an seiner Digi mal ausprobieren, was damit geht.

Sonne lacht, Blende 8

Nämlich fotografieren im hellen Sonnenschein oder mit einem Blitzgerät. Man konnte den 400er Film, Ilford HP 5 (alles schwarz-weiß, versteht sich), auf 800 Asa pushen, aber dann durfte im Labor nichts schiefgehen. Damit hatte man eine Blendenstufe gewonnen. Kein Wunder, dass unser Fotograf seine Nikon D4 gerne „Nachtsichtgerät“ nennt. Ich besaß eine Nikon FM, da stellte ich Blende und Zeit von Hand ein und drückte auf den Auslöser.

Dann musste der Film aus der Außenredaktion ins Verlagshaus zum Entwickeln. Ich füllte einen Bildlaufzettel aus, auf dem ich alles notierte, was zur Weiterverarbeitung notwendig war. Beschreibungen wie „Wiese, im Hintergrund Windmühle, vorne Kühe“ oder „Drei Männer, einer mit Brille und einer mit Bart“. Dazu, auf welche Lokalseite und zu welchem Text das Foto gehörte. Ich wickelte die Filmdose in den Zettel, Tesa drum und warf ihn in einen Metallkoffer.

Dieser Koffer wurde am frühen Nachmittag einem Busfahrer (Wiesmoor, Aurich oder Wittmund) oder einem Lokführer (Norden) übergeben. Ein Bote holte die Koffer in Leer am Bahnhof oder an einer Bushaltestelle neben der Autobahnabfahrt ab. Konnte passieren, der Bote kam zu spät. Dann fuhr der Koffer aus Norden auch schonmal nach Garmisch durch. Er kam am übernächsten Tag zurück, aber für das Foto war es natürlich zu spät.

Im Verlag wurden die Filme aus den Koffern mit der Rohrpost in die Redaktion im ersten Stock „gebombt“. Ein „Kartonvolo“, also ein Volontär im Innendienst, wickelte alle Filme aus den Zetteln und notierte sich, von wem er Filme bekommen hatte. Dann schleppte er alle Filme in einem Karton (daher der Name) ins Labor, wo sich die Kollegen ans Entwicklen machten. Nach einer halben Ewigkeit waren alle Negative fertig und konnten wieder abgeholt werden.

Der arme Kartonvolo sichtete alle Negative und versuchte, die richtigen „drei Männer, einer mit Brille und einer mit Bart“ zuzuordnen und ließ Abzüge machen. Davon wurden Druckvorlagen gerastert und ausbelichtet. Abends in der Montage wurde alles durcheinander gemischt, aber auf wundersame Weise gelangten 98 Prozent aller Bilder an die richtige Stelle.

Schweine statt Schützen im Blatt

Aber natürlich gab es Verwechslungen aller Art. Die beste von allen: das frisch proklamierte Königshaus der Schützen aus V. Das Foto zeigte vier oder fünf niedliche kleine Schweinchen. Manchmal standen die Bilder auf dem Kopf. Kollegen einer Nachbarzeitung schnitten einmal aus einem Gruppenbild einen Abgeordneten ab, der sich wirklich auf jedes Bild gemogelt hatte. Wagemutig! Fortan schmuggelte sich der Abgeordnete stets in die Mitte des Fotos.

Später, als wir Farbe drucken konnten, gab es im Labor eine Entwicklungsmaschine für Farbfilme, die ungefähr jeden siebten Film in Plissee knitterte. Nichts mehr zu retten. Dasselbe galt, wenn man versehentlich den Kameradeckel aufklappte, bevor man den Film zurückgespult hatte. Oder wenn man erst gar keinen eingelegt hatte.

Heute ist die Digi-Kamera ein Segen. Ich meine, seit man nicht mehr nach 36 Aufnahmen (Künstler schafften es, 38 herauszukitzeln) einen teuren neuen Film einlegen muss und der Speicher für mehrere tausend hochauflösende Bilder reicht, sichtet man oft stundenlang Fotos. Trotzdem: Man fügt es selbst in die Seite ein, hat immer die richtige Reihenfolge und wenn man nicht mehr weiß, wer der Mann mit Bart ist, kann man nach seinem Namen im Internet suchen.

Vereine reichen nicht mehr verschwommene Abzüge in schrillen Farben ein, sondern liefern selbst vom Handy ordentlich belichtete Bilder ab. Es sei denn, sie schicken sie mit Whatsapp, dann sind sie nur daumennagelgroß. Es werden nicht mehr in der Repro Tonnen von Chemikalien verbraucht, die teuer entsorgt werden mussten.

Meine Nikon habe ich noch. Ich nehme sie meistens in den Urlaub mit. Vor jedem Bild überlege ich gut, wie es aussehen soll. Die alte vollmechanische Spiegelreflex hat natürlich kein Display. Aber aus Erfahrung weiß ich, wie das Bild aussehen wird. Ausfälle gibt es kaum. Für die Arbeit habe ich eine Nikon D610, an die kann ich meine alten Objektive anflanschen, wenn ich will. Die neuen sind allerdings besser. Autofokus, 16.000 Asa, gigantisch. Sogar HD-Filme macht das Ding. Man möchte das nicht mehr missen.

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